Betreuung von Abschlussarbeiten mit Themen aus der Industrie
Liebe Studierende, sehr geehrte Themensteller aus der Industrie,
oft werde ich als Leiter der AG Softwaresprachen bzw. als Professor für Informatik an der Universität Koblenz-Landau gefragt, ob ich auch Abschlussarbeiten mit Themen aus der Industrie bearbeite. Dazu möchte ich mich im folgenden allgemein äußern. Vorab sei gesagt, dass mich die Praxis sehr interessiert und dass die Betreuung solcher Arbeiten prinzipiell möglich ist. Allerdings müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein.
Ich beginne mit einer Klarstellung: Der Auftrag der Universität und damit auch mein Auftrag bzw. der Auftrag meiner Mitarbeiter ist die Bildung und die Forschung. Nach meine Auffassung und gemäß meiner Motivation sollten Professoren solche Abschlussarbeiten betreuen, welche einen Beitrag für deren Forschungsprofile erbringen. Der Professor hat zu verantworten, dass der Studierende im Sinne der Prüfungsordnung und in Bezug auf wissenschaftliche und fachliche Qualität eine angemessene Abschlussarbeit erstellt. Der Professor verantwortet die Abschlussarbeit, auch wenn wissenschaftliche Mitarbeiter einen Teil der operationellen Betreuung übernehmen.
Wenn im wesentlichen ein Unternehmen ein Thema stellt und die zu erwartenden Ergebnisse auf das Unternehmen zugeschnitten sind, dann gilt es Folgendes zu prüfen. Bezieht sich das Thema hinreichend auf Forschungsthemen der Arbeitsgruppe und erscheint es wahrscheinlich, dass die Abschlussarbeit Material beibringt, welches wissenschaftlich publiziert werden kann? Gibt es eine bestehende bildungs- bzw. forschungsrelevante Vernetzung zwischen Unternehmen und Arbeitsgruppe, welche durch die Themenbearbeitung gestärkt werden würde? Ist es wahrscheinlich, dass eine bildungs- bzw. forschungsrelevante Vernetzung zwischen Unternehmen und Arbeitsgruppe durch die Themenbearbeitung ermöglicht wird? Wenn keine dieser Optionen gegeben ist, dann steht eine Betreuung nicht gut im Einklang mit dem oben genannten Auftrag. Damit wäre weder der personelle Einsatz des Professors noch der seiner Mitarbeiter zu rechtfertigen. Eine alleinige Pro-Forma-Betreuung ohne wirkliche inhaltliche und formelle Betreuung von Abschlussarbeiten verbietet sich auch von selbst. Abschlussarbeiten sind wichtige Elemente des Studiums und sie dürfen nicht einfach in Unternehmen exportiert werden.
In den zuvor aufgezählten Fällen wäre eine Betreuung bzw. vielmehr die damit im Zusammenhang entstehende Interaktion mit dem themenausgebenden Unternehmen im Prinzip eher als eine Beratungsdienstleistung von dem Professor für das Unternehmen zu verstehen. Solche Dienstleistungen sind im Sinne geringfügiger Beschäftigungen denkbar und wären durch das Unternehmen zu vergüten. Ein entsprechender Beratungsvertrag kann zwischen Unternehmen und Professor abgeschlossen werden. Moralisch und rechtlich ist diese Vorgehensweise unter den folgenden Voraussetzungen korrekt. Der dienstleistende Professor darf nicht persönlich von der erbrachten Dienstleistung profitieren. Stattdessen sollte das Honorar in der Form einer Spende an die Arbeitsgruppe bzw. die Universität entrichtet werden. Die Dienstleistung darf nicht mit dem Erfolg oder der Benotung der Abschlussarbeit gekoppelt sein.
Prof. Dr. Ralf Lämmel
Leiter der AG Softwaresprachen
Fachbereich Informatik
Universität Koblenz-Landau
Campus Koblenz